Neustart Workshop Wohntypologien

Die Frage wird immer konkreter: Wie wollen wir in Zukunft wohnen?

Wie können wir die Neustart-Ideen in konkrete Wohntypologien (Wohnungszuschnitte, -größen und gute Grundrisse) übersetzen?

Wie können wir die Themen Diversität, Suffizienz (geringer Flächenverbrauch) und gemeinschaftliches Wohnen gut unter ein Dach bringen? Wie behalten wir die Bezahlbarkeit im Blick?

 

Diese Themen werden beim Workshop „Wohntypologien“ mitgedacht

Mit diesen Themen hat sich am Donnerstagabend 8. Februar eine große Runde von 40 Neustart-Genoss*innen und Interessierte unter der Überschrift „Neustart-Workshop Wohntypologien“ beschäftigt. Toll ist, dass Leute aus unseren Reihen den Input erarbeitet haben.

 

Über 40 Genoss*innen haben sich beim Neustart-Workshop mit den Themen Wohntypologien, effiziente Grundrisse und mögliche Wohnungsgrößen beschäftigt.

Es geht los – konkretere Ideen entwickeln

Wie Ihr lesen konntet, hat die Stadt die Ausschreibung für die Voroption für das Marienburger Areal (von uns „Maribu” genannt) veröffentlicht. Wir möchten uns mit unserem überzeugenden Neustart-Konzept darauf bewerben. Das heißt für uns, es geht los! Wir bewegen uns stärker in Richtung konkrete Planung. Wie in der Einführung deutlich wurde, bildet der Workshop „Wohntypologien“ eine wichtige Grundlage.

Was sind Wohntypologien?

Ganz allgemein gefasst, sind das Einfamilienhäuser, Familienwohnungen, Hausgemeinschaften (wie in den vielen Baugemeinschaften in Tübingen), verschiedene Formen von Wohngemeinschaftswohnungen, Single-Appartements – also eher konventionelle oder auch bekannte Wohnformen. Experimentellere Formen sind Cluster-Wohnungen, Hallen-Wohnen, Selbstausbau-Wohnen, Micro-Appartements, Pflege-WGs, Flexräume, Jokerzimmer, u.v.m.
Doch was ist damit gemeint? Wie finden wir zu einer Beschreibung, die zu unseren Neustart-Ideen passt? Wie können wir unsere Vorstellungen für die zukünftig Planenden formulieren? Wie Wohnraum schaffen, der für verschiedene Lebenssituationen passt, oder gar angepasst werden kann?

Wir wollen so planen, dass wir so wenig wie möglich Fläche verbrauchen (Suffizienz), und trotzdem einen guten privaten Rückzugsraum haben, uns unbefangen treffen können, gemeinsam Kochen und Zeit verbringen, Gäste willkommen heißen, unsere Dinge lagern, Kinder sich entfalten können, möglichst viel Tageslicht in die Räume kommt, der Schallschutz berücksichtigt ist u.v.m. Dass wir Vielfalt leben können. Ökologisch und bezahlbar.

 

Blick auf den Veranstaltungsraum des Workshops "Wohntypologien". Menschen im regen Austausch zu ihrer aktuellen und für die Zukunft angestrebten Wohnform.
Die Frage, wer Erfahrungen mit gemeinschaftlichem Wohnen hat, haben viele mit „Ja“ beantwortet. Fast genauso viele haben Lust es wieder auszuprobieren.

Wie wohnen wir heute? Und wie wollen wir auf Maribu leben?

Zum Aufwärmen gab es einige Fragen: Wie wohnen wir heute? Die Mehrheit, wie sich gezeigt hat, privat - im engeren Familien-Zusammenhang oder auch alleine. Auf die Frage “Wie wollt Ihr denn auf Maribu leben?“, haben die meisten den Wunsch nach gemeinschaftlichen Wohnformen ausgedrückt. Und auch deutlich: Viele haben Erfahrung mit gemeinschaftlichen Wohnformen.

Konkretes Ausprobieren an unseren Maribu-Wohnkörpern

Wir haben lange dafür gekämpft, dass der Rahmenplan so verändert wird, dass neue, flexible Wohnformen und viel gemeinschaftlich genutzte Räume auf Maribu verwirklicht werden können. Der neue Rahmenplan sieht drei unterschiedliche Baukörper vor: einer langgezogen und schmal (Baukörper A), der andere dick (B) und ein eher rechteckiger, neutraler Baukörper (C).

 

Der überarbeitete Rahmenplan für das "Marienburger Areal" ermöglicht alternative Baukörper für gemeinschaftliches Wohnen

Das eine ist, sich abstrakt mit Wohnformen und idealen Grundrissen zu beschäftigen, das andere, wie diese Grundrisse in die konkreten Baukörper passen. Damit hat sich das Workshop-Team beschäftigt, mit verschiedenen Raumgrößen und Wohnungsschnitten gespielt und beispielhaft Lösungen aufgezeigt. Berücksichtigt wurde dabei das Thema Erschließung (also Zugänge) und das Thema gute Belichtung gerade auch der Erdgeschossräume zum Beispiel über Lichtschächte oder Lichthöfe. Es wurden Erschließungsmodelle wie Laubengänge und verschiedene Treppenhäuser vorgestellt – innenliegend oder am Rand und mit Glasfront und wie diese zu den einzelnen Baukörpern passen könnten.

Gut ist, dass wir nicht bei Null anfangen, sondern dass es viele tolle gebaute Beispiele gibt, wie die Kalkbreite in Zürich, das Hunziker Areal, Gebäude der Genossenschaft Wagnis in München (z.B. WagnisArt), das LeNa-Haus und die StadtErle in Basel.

Blick auf einen Laubengang im Projekt Stadterle Basel
Blick auf einen Laubengang im Projekt Stadterle Basel

Wichtige Fragen für Neustart Tübingen

Weitere grundsätzliche Fragen wurden aufgeworfen: Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus? Wollen wir alle Räume so gestalten, dass sie barrierefrei sind, was bedeutet das? Wie sieht es mit E-Rollis aus? Ist das leistbar? Einigen wir uns auf einen bestimmten Prozentsatz und die anderen Wohnungen sind barrierearm? Wie verhält es sich mit Gemeinschaftsräumen und wie mit Privatwohnungen?

Wie groß soll eine Wohnung sein? Wie viel Platz pro Person, welche Ausstattung, eigene Küchen, nur eine Teeküche, wie groß sind die Bäder , wie hoch die Räume, wie kann die Ausstattung funktional und ansprechend sein, den geringeren Platz optimal nutzen und geräumig erscheinen lassen?

Beispiel nutzungsneutrale Grundrisse

Wenn wir berücksichtigen wollen, dass unsere Lebensformen nicht in Stein gemeißelt sind, sondern sich verändern, dann brauchen wir flexible Grundrisse. Überschrieben ist das mit dem Stichwort „Nutzungsneutralität“. Dafür könnten alle Räume gleich groß sein und ohne fest zugeschriebene Funktionen (wie Schlafen, Wohnen, Kind etc.). Es würde so geplant, dass Räume zusammengeschaltet und auch wieder getrennt werden können. Ein-, Zwei-, Drei-Zimmerwohnungen etc. Es gibt sogenannte Flex-Zimmer zwischen Wohnungen, die als Single-Wohnen taugen oder aber einer Wohnung zugehörig sind. Das wird mit dem Begriff „adaptives Wohnen“ beschrieben.

 
Auf dem Grundriss vom LeNa-Haus ist die strenge Rasterstruktur mit gleichgroßen Zimmern gut zu erkennen. Das bedeutet eine hohe Nutzungsneutralität der Räume.

Es wurden Grundrissbeispiele z.B. vom LeNa-Haus gezeigt, die einem einheitlichen Raster folgen und somit eine sehr hohe Flexibilität ermöglichen. Auf den ersten Blick erscheint das sehr streng. Dennoch können gemütliche, intime Zonen geschaffen werden. Das ist im LeNa-Haus gelungen, in dem auf jedem Stockwerk im Bereich der Treppenhäuser schöne helle und hohe Gemeinschaftsräume eingeplant wurden. Auf der Webseite flexible-grundrisse.de findet ihr weitere interessante Beispiele.

In aller Munde: Cluster-Wohnen

Was zeichnet ein Cluster aus? Es ist eine gemeinschaftliche Wohnform, die lockerer, oft größer als eine WG ist (8 – 12 Personen). Die Privaträume verfügen über ein eigenes Bad. Die Gemeinschaftsflächen sind zentral angeordnet und schaffen viel Begegnung. Siehe auch die Neustart-News „Zwitter zwischen WG und Hausgemeinschaft: Clusterwohnen“. Ein Idealbild eines solchen Clusters findet sich im Hunziger-Areal in Zürich im Clusterhaus.

Auf dem Grundriss ist deutlich zu erkennen, dass dieser Cluster sehr viel Wert auf Gemeinschaft legt. Alle Privaträume sind von den Gemeinschaftsflächen aus erschlossen. Nachteil ist, es wird sehr viel Wohnfläche pro Kopf benötigt.

Die Gemeinschaftsflächen mäandern durch die großzügig angelegte Fläche, alle Privaträume werden über die Gemeinschaftsfläche erschlossen. Doch wollen wir das für Neustart? Wie sieht es hier mit dem Schall aus? Wo sind die Sanitäreinrichtungen angeordnet? Braucht es eine Pufferzone zum Gemeinschaftsraum? Haben die Privatzimmer eine kleine Teeküche? Was sind ideale Zimmergrößen? Wer lebt im Cluster, was ist, wenn ein Paar Kinder bekommt? Soll es ein Cluster nur für Ältere geben, wie es sich die Leute von Phase 3 e.V. wünschen, die sich als Gruppe Neustart angeschlossen haben, um würdevolles und zeitgemäßes Zusammenleben im Alter zu realisieren?

Diese Cluster-Wohnung ist schon deutlich effizienter geplant und braucht so auch eine deutlich geringere Wohnfläche pro Person. Durch die Randlage der Gemeinschaftsräume wird auch mehr Privatsphäre geschaffen.

Cluster-Wohnungen entwickeln sich weiter, Erfahrungen fließen in neue Planungen ein. Es gibt Beispiele von pragmatischen Clustern, für Menschen, die locker assoziierte Gemeinschaften suchen. Dort sind die Gemeinschaftsräume eher an den Rändern angeordnet. Die Privaträume sind nicht über die Gemeinschaftsfläche erschlossen.

Auch das Prinzip des privaten Badezimmers ist nicht mehr zwingend gesetzt. Zwei oder drei Personen teilen sich ein Badezimmer, eines mit Dusche, das andere mit Badewanne.

Ihr seht also, es ist Bewegung in dem Thema. Die gezeigten Beispiele bieten eine gute Grundlage für unsere eigene Diskussion und Planung.

Wie weiter

Wie bereits eingangs gesagt, war der Workshop eine tolle Einführung in unsere Neustart-Planung. Welche Ansätze und Anforderungen wollen wir in unser Projekthandbuch schreiben und den zukünftigen Architekt*innen mit auf den Weg geben? Zum Abschluss wurden Fragen /Schwerpunkte gesammelt, die wir in weiteren Treffen und Workshops vertiefen wollen.

Es wäre klasse, wenn noch viel mehr von Euch mitmachen, mitdenken, weiterspinnen würden…

Zurück