Warum sollte uns das interessieren …

Mini-Start, aber immerhin: kommunaler Wohnungsbau bald wie im großen Vorbild Wien?

Ein unscheinbares Minihaus. An ihm lässt sich aber viel zu einer Reihe wichtiger Neustart-Themen zeigen:

(1) Am spannendsten ist, wer es baut und in ihrem Bestand behält. Es ist die Stadt. Erstmalig steigt Tübingen damit wieder in den kommunalen Wohnungsbau ein. Da werden wir richtig hellhörig, ist doch ein ausgeprägter kommunaler Wohnungsbestand eines der wirksamsten Instrumente, um den Wohnungsmarkt ein Stück weit zu domestizieren – die Stadt Wien gilt hier immer wieder als Vorzeigebeispiel.

Für uns eindrücklich ist, wie groß die Zustimmung der Stadtgesellschaft ist, alle Hebel für mehr bezahlbare Wohnungen zu bedienen.

(2) Ebenso instruktiv wie bedrückend ist aber auch die zweifache Scheiternsgeschichte, die vor dem „Ende gut, vieles sehr gut“ steht: Zunächst hatte das Haus den Zuschlag im Vergabeverfahren Hechinger Eck Nord bekommen, weil das Konzept der Baugruppe Phase3 vielversprechend für Zukunftswohnen und -sorge für Ältere stand. Dann verschlechterten sich fahrstuhlartig die Finanzbedingungen seit einem Jahr, führten zum Aus.
Mit der Nestbau Bürger-Aktiengesellschaft für bezahlbares Wohnen sprang ein erfahrener Gemeinwohlträger ein – mit leicht verändertem Konzept (nestC2). Was dann passierte, hätte unter bisherigen Bedingungen kaum jemand für möglich gehalten: auch die Nestbau AG musste das Projekt abgeben, zuletzt wegen der immens gestiegenen Zinskosten. Obwohl sie eine solide Finanzdecke aus Bürger*innen-Aktien hat. Aber in der Finanz-Zeitenwende reicht das nicht mehr aus.
(Bild: Cluster HEnC2 Tübingen - mit Miniküchen und WC/DU überall; Idee: nestbau AG, Arch.: LEHENdrei, Stgt)

Für unsere Zuversicht in Sachen Finanzierbarkeit ist das durchaus ein weiteres ernüchterndes Projektscheitern.

(3) So erfreulich die Finanzierbarkeit des Hauses im kommunalen Wohnungsbau ist, so ernüchternd ist genau die spezielle Finanzierung für uns. Wieso schreckt die Stadt offensichtlich vor der Finanzierung nicht zurück und springt jetzt plötzlich in die Bresche?
„Das Land Ba-Wü hält für Kommunen eine attraktive Förderlinie des Landes-Wohnraumförderprogramm bereit. Die Förderung liegt  rund 10% über dem Niveau, das anderen Trägern (auch der GWG) zugestanden wird. Insgesamt könnte das Projekt mit rund 2,4 Mio € gefördert werden. Die Wohnungen werden 40 Jahre gebunden, die Miete ist auf 60% der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt. Diese Förderlinie (...) ist einer der wesentlichen Gründe dafür, weshalb das Projekt für die Kommune (im Unterschied zu anderen Marktakteuren) finanziell realisierbar ist. Zudem sind andere Akteure auf Kapitalmarktdarlehen angewiesen. Aufgrund des hohen Zinsniveaus sind geförderte Mietwohnungen für andere Akteure in diesem Projekt nicht realisierbar“ (Quelle).
Der Finanzbeitrag aus der Landesförderung (LWoFG) beträgt satte 2.4 Mio €, bei Gesamtkosten von 6.3 Mio € (ohne Grundstück) ein unglaublicher Anteil.

Was das mit uns macht? Wir freuen uns mit der Stadt(gesellschaft) – und fordern eindrücklich, die Förderkulisse auch für Gemeinwohlakteure wie uns entscheidend zu verbessern! So enttäuscht wir sind, dass dies derzeit nicht der Fall ist, so deutlich ist, dass die Situation bei den Förderkonditionen derzeit ganz stark in Bewegung gerät. Da könnte also auch für uns sich ganz schnell was ändern. Aber das liegt klar auf der landes- und bundespolitischen Ebene.

(4) Auch das zweite und für das Haus neue Ziel hat es in sich, neben dem Einstieg in den kommunalen Wohnungsbau: Bezahlbaren Wohnraum für Erzieher*innen und Pflegekräfte zu bieten – eine bewusste Auswahl der Bewohner*innen nach sozialen und gesellschaftlichen Kriterien also, in diesem Fall eine bewusste Priorität für Menschen, die sozial besonders „systemwichtig“ sind, zugleich mehrheitlich besonders große Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt haben. (Auch wenn hier kritisiert wird, dass davon nur städtische Angestellte profitieren würden.)

Für uns Bestätigung für das, was wir auch vorhaben: eine Wohnungsvergabe nach sehr klaren Kriterien – bei uns nah an der Bevölkerungszusammensetzung, aber mit einer besonderen Gewichtung für Menschen, die es am Wohnungsmarkt besonders schwer haben.

(5) Die Grundrisse sind beispielhaft für einen modernen Typ Clusterwohnen: Einerseits klassisches Clusterlayout, weil jedes Einzelappartement sowohl Dusche/WC als auch eine Miniküche aufweist. Aber mit Bezug auf die Größe ein flächensparsames Layout: rund 17qm große Zimmer sind nicht üppig, zusammen mit Flur und Bad sind es 27qm/Person (s. Grundriss Bild oben). Aber hinzu kommt der mit rund 30qm gut funktionierende, aber eben nicht übertrieben große Gemeinschaftsbereich, teilweise zzgl. geteilte Balkonbereiche. Ergibt rund 37qm pro Person. Angesichts der 47qm, die in Ba-Wü Durchschnitt sind, wirkt das schon sozialverträglich. Erst der Vergleich mit Einpersonenhaushalten aber zeigt, wie zurückhaltend die 37qm sind – verglichen mit den 68qm im Bundesschnitt!
(Bild: Umweltbundesamt zu Wohnungsgrößen nach Haushaltsform; vgl auch das Balkendiagramm zum Wohnflächenverbrauch unten)

Für uns eine weitere hochwillkommene Möglichkeit, aus Erfahrungen zu lernen: wie bewähren sich diese Grundrisse, die Personenkonstellationen, die Spielregeln, unter denen sie zusammenfinden?

(6) Cluster haben derzeit ein richtig ärgerliches Kostenübernahmeproblem im Sozialwohnungssegment: Die Gemeinschaftsflächen werden nicht entgolten, nur die Privatflächen (in diesem Fall also die rund 27qm/Person). Da die Stadt Tübingen das trotz vieler Bemühungen nicht ändern konnte, kalkuliert sie die privaten übernahmefähigen qm-Kosten am oberen Rand des Sozialmietniveaus, und kommt – u.a. aufgrund der zurückhaltenden Gemeinschaftsflächen – auf ausreichende Mieteinkünfte, um die Refinanzierung darzustellen.

Für uns ist es durchaus eine Ermutigung, dass der pragmatische Weg darstellbar ist. So ärgerlich es ist, dass die grundsätzlich zu eng konzipierte Kostenübernahmesystematik modernen Wohnformen so im Wege steht.

Fazit:

  • Ein gutes zukunftsorientiertes Hauskonzept!
  • Wäre toll, wenn es der Startschuss für kommunalen Wohnungsbau TÜ wäre!
  • Ernüchterung angesichts des kostenbedingten Scheiterns guter Gemeinwohlakteure!
  • Viel zu lernen aus guten Detaillösungen!
  • Gute Finanzierungsbedingungen müssen unbedingt kommen – vielleicht bewegt sich bis zu unserem Finanzierungsstart ja dort noch etwas substanziell.

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